Bonner Querschnitte 39/2022 Ausgabe 743

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Ein Dienst zur Traumabehandlung bringt Kindern in der Ukraine Heilung und Hoffnung

(Bonn, 07.11.2022) Zehn Tage nach Ausbruch des Krieges traf sich ein mehrheitlich weibliches Team von Children’s Mission – einer ukrainischen NRO, deren Aufgabe es ist, Seelsorger für den Dienst an Kindern auszubilden und auszustatten –, um zu entscheiden, was sie tun können, um zu helfen. Sie hatten keine Mittel, um Flüchtlinge zu evakuieren oder humanitäre Hilfe zu leisten, aber sie verfügten über einzigartiges Fachwissen und Engagement im Dienst der Kinder. Bald darauf begannen sie, wöchentliche Bibellektionen für kleinere Kinder herauszugeben – als Unterstützung für viele Geistliche, die in dem Chaos und der Hektik, in denen sie den Flüchtlingen helfen mussten, weder die Zeit noch die emotionale Kapazität hatten, ihre eigenen Lektionen vorzubereiten. Selbst diejenigen, die in der Nähe von Kriegsgebieten blieben, wo es fast keine Kinder mehr gab, sagten, dass die wöchentliche Veröffentlichung ihnen ein Gefühl der Stabilität gab – selbst in all dem Schmerz und der Zerstörung des Krieges veröffentlichte jemand Bibelarbeiten!

Spielende Kinder im ukrainischen Children’s Mission Camp © Children’s MissionHinter den Kulissen entwickelte sich ein weiteres Projekt. In den ersten Kriegstagen wurde die Leiterin von Children’s Mission, Ljudmila Bryn, gebeten, eine fachliche Bewertung der OpSafe-Trauma-Camp-Initiative abzugeben. Dabei handelt es sich um eine Reihe von fünftägigen Tagescamps, in denen jungen Kindern (6–12 Jahre), die unter traumatischen Ereignissen wie Naturkatastrophen und Krieg gelitten haben, psychologische Erste Hilfe geleistet wird. Als sie das Programm las, war sie daran interessiert, es in der Ukraine umzusetzen. Bald darauf setzte sie sich mit dem Autor des Programms, Jonathan Wilson, in Verbindung, und ihre Zusammenarbeit begann. In den folgenden Monaten diskutierte und bereitete das Team des Kindermissionswerks den Einsatz dieses Programms in der Ukraine vor.

Zur gleichen Zeit erhielt Marina, eine junge Kunstmanagerin aus der Westukraine, einen Anruf von ihren Freunden, die von den Plänen von Children’s Mission wussten, ein Programm zur Traumabehandlung in der Ukraine ins Leben zu rufen. Sie wussten, dass sie daran interessiert sein würde – sie liebte die Arbeit mit Kindern und hatte bereits Erfahrung mit Schulen und Gemeindefreizeiten. Marina willigte ein und reiste mit dem Team von Children’s Mission nach Krakau, um an einer Schulung von OpSafe teilzunehmen.

Kinder im ukrainischen Children’s Mission Camp verfolgen bei Station 1 eine Tierfigur auf einer illustrierten Reise © Children’s MissionDie OpSafe-Camps werden im Rahmen einer fünftägigen Ferienbibelschule in einem Bürgerzentrum organisiert, wo die Kinder in der Regel bis zu vier Stunden pro Tag verbringen. Im Fall der Ukraine dauerten die Camps jedoch länger – es war für die Kinder nicht sicher, allein nach Hause zu gehen, sodass sie oft den ganzen Tag blieben. Das veranlasste die Teams, das Programm nach und nach zu erweitern und zu ergänzen. In den Camps werden die Kinder in kleine Gruppen aufgeteilt, und jeder Gruppe wird ein Mentor zugewiesen, der den Kindern während des gesamten Camps hilft. Das fünftägige Programm folgt einer speziell entwickelten therapeutischen Geschich­te – einer illustrierten Rei­se, die neutralen Tierfiguren folgt. Jeden Tag gibt es ein Grundthema, das „Wahrheit des Tages“ genannt wird, eine Hauptfigur der Erzählung und sechs „Stationen“, die die Kinder durchlaufen, um ihr Verständnis für die Wahrheit zu vertiefen. Unter anderem gibt es eine „Bibelstation“, an der die Kinder eine Bibelstunde mit ihren Mentoren verbringen, und eine „Herzstation“, an der sie therapeutische Übungen zum Stressabbau lernen.

Ende Mai beendete OpSafe die Ausbildung des Kindermissions-Teams sowie anderer Freiwilliger, darunter auch Marina. Das CM-Team kehrte in die Ukraine zurück und begann mit der Ausbildung unabhängiger Teams aus dem ganzen Land. Zur gleichen Zeit wurde Marina aktiv. Ihre Gemeinde hatte ein Zentrum für Binnenflüchtlinge, und sie begann sofort, ein Camp für sie und andere Kinder aus ihrer Gemeinde zu organisieren. Mitte Juni und Anfang Juli bereitete sie zwei Camps für Binnenflüchtlinge und einheimische Kinder vor und führte sie durch – ein ganztägiges Camp in den Bergen, an dem 35 Kinder teilnahmen, und ein halbtägiges Camp in einer örtlichen Unterkunft für Binnenflüchtlinge. Die ersten Camps waren besonders hart, erinnert sich Marina, aber sie war sehr erstaunt über das Interesse der Kinder an der therapeutischen Geschich­te – „...sie waren absolut fasziniert.“ Marina erzählte auch von den häufigsten Gefühlslagen der Binnenflüchtlingskinder: „Meistens machen sich die Kinder Sorgen um ihre Verwandten, die in den besetzten Gebieten zurückgeblieben sind, und um ihre Haustiere – viele ältere Menschen weigerten sich zu gehen, und leider nahmen die meisten Familien ihre Haustiere nicht mit. Die Kinder trauerten um den Verlust ihrer Haustiere, diese Gefühle waren sehr intensiv.“

Marina war eine der ersten Freiwilligen, die ein Lager organisierten, aber sie war nicht die Einzige – Olga, eine Vertriebene aus Mariupol, die nur wenige Monate zuvor wie durch ein Wunder entkommen konnte und nun in Lviv lebt, hat beschlossen, sich dem Projekt anzuschließen. Sie wurde von CM-Mentoren geschult und unterstützt, und im Hochsommer organisierte sie ihr erstes Camp für 15 Flüchtlingskinder aus der Ostukraine. Zunächst war Olga nicht davon überzeugt, dass nichtgläubige Kinder an dem biblischen Programm interessiert sein würden: „Ich war mir nicht sicher, ob Menschen aus nichtgläubigen Familien so viele Bibelverse wiederholen wollen. Ich dachte, dass es für sie langweilig sein würde. CM hat mich gelehrt, wie man es interessant gestalten kann, und ich habe erlebt, dass nicht-gläubige Familien fünf Bibelverse gleichzeitig wiederholen. Ich sah, wie ein Kind aus einer total agnostischen Familie ungeduldig sagte: „Lass uns jetzt beten!“ Das Camp war ein Erfolg, und man beschloss, Ende August ein weiteres durchzuführen – für eine andere Gemeinschaft von Binnenvertriebenen in einem nahegelegenen Dorf, mit insgesamt 30 Kindern.

Kinder im ukrainischen Children’s Mission Camp © Children’s MissionWährend des Sommers organisierten Teams, die vom Kindermissionswerk geschult, unterstützt und beaufsichtigt wurden, 31 Camps, die über 1700 Kinder erreichten. Nach Angaben des Kindermissionswerks schließen 80 % der Kinder die Camps ohne größere Probleme ab, kehren in ihre Kinderzeit zurück und arbeiten an ihrem Trauma. Bei 15–20 % der Kinder wurde ein tieferes Trauma festgestellt, und 2–5 % benötigen aufwändigere psychologische Hilfe und werden an zertifizierte Fachleute vor Ort verwiesen. Olga, Marina und Luydmyla kamen alle zu demselben Schluss, nachdem sie ihre eigenen Camps organisiert hatten – die Kinder engagieren sich, werden gesund und kehren langsam in ihre verlorene Kindheit zurück.

Die nächste Herausforderung für OpSafe und Children’s Mission ist das Schuljahr – das Format der Ausbildung ist noch nicht entschieden und wird wahrscheinlich von Schule zu Schule, von Stadt zu Stadt und von Region zu Region variieren. Children’s Mission sucht nach Möglichkeiten, die nächsten Camps in den Herbstferien zu organisieren und arbeitet an der Möglichkeit, vom Bildungsministerium die Genehmigung zu erhalten, die Camps als außerschulische Programme durchzuführen.


Downloads und Links:

  • Foto 1: Kinder im ukrainischen Children’s Mission Camp verfolgen bei Station 1 eine Tierfigur auf einer illustrierten Reise © Children’s Mission
  • Foto 2: Spielende Kinder im ukrainischen Children’s Mission Camp © Children’s Mission
  • Foto 3: Kinder in den ukrainischen Children’s Mission Camps © Children’s Mission

Dokumente

BQ0743.pdf

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