Bonner Querschnitte 24/2011 Ausgabe 178
ZurückSchirrmacher trifft Opfer des Anschlages in Alexandria
(Bonn, 18.08.2011) Der Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit, Thomas Schirrmacher, hat sich persönlich von zwei Augenzeugen von dem Anschlag auf einen koptischen Gottesdienst in Alexandria berichten lassen, die beide schwer verletzt überlebten und in Deutschland operiert wurden. Bei dem Anschlag starben 23 Menschen. Bei weiteren kleineren Anschlägen und Ãbergriffen starben seit Januar etwa dieselbe Zahl koptischer Christen in Ãgypten.
Am 1.1.2011 explodierte kurz nach Mitternacht eine Autobombe mit etwa 100 kg Sprengstoff vor der Al-Qiddissine-Kirche in Alexandria, nachdem sich die Polizei, die wegen Warnungen den Gottesdienst bewachte, auffälligerweise zurückgezogen hatte. Von den ca. 1000 Besuchern des Neujahrsgottesdienstes wurden 97 verletzt, darunter auch 8 Muslime, und 21 getötet. Zwei der Verletzten starben am 4.1.2011 im Krankenhaus. Alexandria ist nach Kairo mit 4,4 Mio. Einwohnern die zweitgröÃte Stadt Ãgyptens.
Im Gespräch verwies Schirrmacher die Opfer darauf, dass die Frühe Kirche und auch die Väter der Koptischen Kirche nicht nur Christen als Märtyrer ansahen, die wegen ihres Glaubens starben, sondern auch solche, die einen Anschlag auf ihr Leben überlebten. Deswegen sei es ihm eine Ehre, persönlich vom Glauben lebender Märtyrer zu lernen.
Bischof Anba Damian, der bei den zweitägigen Gesprächen zugegen war, verwies darauf, dass die Koptische Kirche nie Staatskirche gewesen sei und sich von Anfang an â nicht erst seit der Eroberung Ãgyptens durch die Muslime â in feindlicher Umgebung behaupten musste. Deswegen nenne man sie auch âKirche der Märtyrerâ.
[Das folgende Zitat bieten wir Ihnen als Hintergrund an, falls Sie ihre eigene Meldung verfassen wollen.]
Der Bischof wörtlich: âDas ist ein Bestandteil unserer Geschichte und gelebte Tradition. Wir Kopten haben unseren eigenen Kalender, den Märtyrerkalender. Dieser fängt mit Kaiser Diokletian im Jahre 284 nach Christus an. Damals war die Christenverfolgung am allerschlimmsten. Innerhalb von fünf Jahren wurde mehr als eine Million Kopten umgebracht. Einige unserer Märtyrer sind auch in Europa bekannt, wie der heilige Mauritius als Patron des Doms zu Magdeburg und die heiligen Cassius und Florentius, die Patrone der Stadt Bonn. In Köln werden zwei weitere Märtyrer besonders verehrt: Gereon und Viktor. Es herrschten für die Kopten nicht immer rosige Zeiten. Man spricht von etwa einer Million Märtyrer seit dem siebten Jahrhundert bis heute. Wir mussten im Laufe unserer Geschichte unsere Kreuze tragen und unsere Kreuze waren alles andere als leicht. Wir versuchen friedlich mit den Moslems umzugehen, das ist die Lehre unserer Bibel. Dass heute noch Christen in Ãgypten leben, gilt als echtes oder als ein achtes Weltwunder. Als der Islam nach Ãgypten kam, waren wir sehr unterdrückt von den Römern. Die Kopten erhofften sich durch den Islam seine Befreiung. Tatsächlich kam es dazu. Die Anfänge waren sehr friedvoll, so dass die Kopten keinen Widerstand geleistet haben. Im Gegenteil: Wir haben sogar den Weg für die Moslems in unserem Land geebnet. Die ersten Muslime waren uns sehr gut gesonnen. Wir haben nichts gegen die Muslime. Das einzige, was ich mir in meinem ganzen Leben wünsche und wovon ich träume, ist das Recht, friedlich leben zu dürfen, unsere christliche Tradition leben zu können. ... Ich wünsche mir, dass jeder Mensch das Recht hat, seine Religion zu wählen oder seine Religion oder Konfession zu wechseln, ohne bestraft und ohne belohnt zu werden.â
Damian zeigte sich erschüttert, wie wenig in Deutschland Kirchen und Politik für die Kopten täten, selbst diejenigen, die immerhin mit Worten laut auf das Unrecht hinwiesen. Oft würden Kirchen in Deutschland Gelder nur für Kirchen ihrer eigenen Konfession spenden. Die Koptische Kirche benötige jetzt aber die praktische Solidarität vor Ort, sowie jedweden möglichen politischen Druck auf die ägyptische Regierung.
Der 1955 in Kairo geborene Bischof Anba Damian ist seit 1995 Generalbischof der Koptisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland und damit Seelsorger und Ansprechpartner für etwa 6.000 Kopten in acht Koptisch-Orthodoxen Gemeinden in Deutschland. Sein Amtssitz ist ein Kloster in Höxter-Brenkhausen. Damian lebt seit 1981 in Deutschland, studierte Medizin und war 1988-1991 Oberarzt in der Radiologie im Kreiskrankenhaus Mühlacker (Enzkreis).
Damian ist damit einer von 14 koptischen Auslandsbischöfen weltweit, die sich um die Kopten kümmern, die aufgrund der langanhaltenden und zunehmenden Unterdrückung und Benachteiligung in ihrer Heimat zunehmend emigrieren. Aufgrund ihrer guten Bildung und hohen Qualifikationen integrieren sie sich überall, auch in Deutschland, schnell und weisen nicht die Probleme auf, wie manche ihrer muslimischen Landsleute.
Von den 85 Mio. Einwohnern Ãgyptens sind 86,7% Muslime, 12,8% Christen und 0,5% (= 422.000) Nichtreligiöse. Die Christen sind vor allem 9,4 Mio. Kopten, daneben gibt es 1,4 Mio. Christen anderer Richtungen. 4,6% der Einwohner gelten als Evangelikale, der gröÃere Teil davon innerhalb der Koptischen Kirche.
Eintrag im Kondolenzbuch der Koptischen Kirche zum Anschlag in Alexandria:
Sie starben im Glauben an den Christus, der für ihr Heil starb und der allein das Böse, dass in dieser Bluttat zum Ausdruck kommt, überwinden kann. Möge der Herr der Koptischen Kirche und allen koptischen Christen Mut zum Glauben und Weisheit für eine angemessene Reaktion schenken!
Prof. Dr. Thomas Schirrmacher namens der Weltweiten Evangelischen Allianz
Links:
· Kommentar von Christine Schirrmacher in der FAZ: www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EB0D54708BA3E468CBAB5D2E4784D6D95~ATpl~Ecommon~Scontent.html
· Kommentar von Thomas Schirrmacher in der WELT: www.welt.de/print/die_welt/politik/article12041259/Hass-bis-in-unsere-Breiten.html
· de.wikipedia.org/wiki/Damian_(koptischer_Bischof)
· www.koptisches-kloster-hoexter.de
· de.wikipedia.org/wiki/Terroranschlag_am_1._Januar_2011_in_Alexandria
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· Bild: Thomas Schirrmacher zu Besuch bei Opfern (jpg)