Bonner Querschnitte 09a/2007 Ausgabe 38a
ZurückHitler schuf seine eigene Religion
Religionswissenschaftliche Dissertation eröffnet Diskussion um Hitler neu
BQ 38 A (für die säkulare Presse)(Bonn, 28.06.2007) In seiner soeben veröffentlichten Bonner Dissertation âHitlers Kriegsreligionâ vertritt der Religionssoziologe Thomas Schirrmacher, dass Hitler seine gesamte Weltanschauung in Gott gründete, allerdings nicht in dem christlichen Gott, sondern in einem Kriegsgott, der sich aus einer Mischung von Evolutionismus, Naturverherrlichung, Antisemitismus und Nationalismus ergab. Hitler habe nie versucht, seine Wähler mit einem scheinbar christlichen Gott zu ködern, sondern von Anfang an ein dezidiert nichtchristliches Gottesbild vertreten. Ohne diese religiöse Komponente sei, so Schirrmacher, Hitlers politisches Programm nicht zu verstehen. Man könne die Tausenden von Belegen für Anrufungen Gottes und religiöse Begründungen nicht einfach als Rhetorik abtun.
Die 1200 Seiten umfassende Forschungsarbeit â die Hälfte davon besteht aus religiösen Hitlerzitaten â könnte 62 Jahre nach dem Tod Hitlers die Diskussion um das wahre Wesen des Nationalsozialismus neu beleben. Zwar wurde die These, dass der Nationalsozialismus auch eine Religion gewesen sei, schon häufiger vertreten, hier aber wird sie anhand von Tausenden von Hitlerzitaten und einer Analyse aller erhaltenden Reden und Schriften erdrückend ausführlich belegt und anhand eines Wörterbuches der religiösen Sprache Hitlers verifiziert.
Ungewöhnlich ist, dass der Autor für den Zitatband nicht nur die Abdruckrechte vieler Quellen, etwa der Tischgespräche Hitlers, erhielt, sondern auch die Abdruckrechte für viele Passagen aus Hitlers âMein Kampfâ vom Rechteinhaber, dem Freistaat Bayern, eine âEhreâ, die nur wenigen Wissenschaftlern zuteil wird. âEs spricht für die Qualität der Arbeit und dafür, dass der Verfasser die Niederträchtigkeit von âMein Kampfâ in seiner Tiefe genügend abschreckend darstellt, dass Bayern seine sonst sehr restriktive Haltung aufgegeben hatâ, so der Verlag.
Die Arbeit ist eine Kreuzung aus Vergleichender Religionswissenschaft â dafür steht als Betreuer Prof. Dr. Karl Hoheisel vom Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abteilung für Religionswissenschaft der Universität Bonn â und der Soziologie und Politologie â dafür steht der renommierte Hitlerforscher Prof. Dr. Manfred Funke vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.
Literaturangaben:
Thomas Schirrmacher. Hitlers Kriegsreligion. Die Verankerung der Weltanschauung Hitlers in seiner religiösen Begrifflichkeit und seinem Gottesbild. 2 Bände. VKW: Bonn, 2007. 1220 Seiten. Pb. ISBN: 978-3-938116-31-9. 99,00 EUR
Werbetext zum Buch:
In der vorliegenden Untersuchung wird auf der Grundlage aller verfügbaren Texte und Reden Hitlers seine Verwendung der religiösen Begrifflichkeit untersucht und gezeigt, dass diese sich Hitlers weltanschaulichem Denken so einfügte, dass eine eigenständige Kriegsreligion in scharfem Gegensatz zur christlichen Religion entstand. Dabei wird Hitlers Weltanschauung als von 1919 bis 1945 weitgehend gleichbleibend erwiesen und als Triebfeder seines Handelns verstanden.
Zum Autor:
Thomas Schirrmacher (geb. 1960) ist Professor für Religionssoziologie an der Staatlichen Universität Oradea, Rumänien und hat einen Lehrstuhl für Internationale Entwicklung an der ACTS University in Bangalore, Indien. AuÃerdem ist er Rektor des Martin Bucer Seminars (Bonn, Zürich, Innsbruck, Prag, Ankara), einer theologischen Hochschule für Berufstätige, und lehrt dort Ethik und Religionswissenschaft. Er studierte Theologie in der Schweiz und den Niederlanden, Vergleichende Religionswissenschaft, Völkerkunde und Soziologie in Bonn und Kulturanthropologie in den USA. Er promovierte in Ãkumenischer Theologie (Niederlande), Kulturanthropologie (USA) und mit vorliegender Arbeit in Vergleichender Religionswissenschaft (Deutschland) und erhielt 1997 und 2006 zwei Ehrenpromotionen aus den USA und aus Indien. Thomas Schirrmacher ist Sprecher für Menschenrechte der Weltweiten Evangelischen Allianz und Direktor von deren 2006 gegründeten Internationalen Institut für Religionsfreiheit (Bonn, Kapstadt, Singapur).
Das Buch kann im Internet bei www.genialebuecher.de bestellt werden.
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