Bonner Querschnitte 13b/2007 Ausgabe 42b
ZurückHitler zu Ehe, Familie und Erziehung im Dienst des nationalsozialistischen Rassenwahns
(Bonn, 14.09.2007) Im Nachgang zu BQ 42 (âHitler zerstörte Ehe und Familie durch seinen Rassenwahnâ) schicken wir Ihnen noch einen weiteren Beitrag, einen Artikel von Thomas Schirrmacher, zum freien Abdruck.
Familie als âLebenskampfâ
Nicht nur Staat, Recht, Religion oder Kultur sind nur âMittel zum Zweckâ der rassischen Lebenserhaltung des Volkes, sondern auch Ehe und Familie. Ehe und Familie müssen sich deswegen sowohl dem Lebenskampf unterstellen, als auch dem Nationalsozialismus als dessen Garant.
Da bei Hitler Ehe und Familie eigentlich nur als der übliche Raum zur Kinderzeugung erscheint und bereits die Geburt als Lebenskampf schlechthin gilt, findet sich bei Hitler keinerlei sonstige moralische oder gar christliche Begründung für Ehe und Familie. Denn, so Hitler: âJedes Kind, das geboren wird, stellt eine Verpflichtung zum Imperialismus darâ, nämlich für Lebensraum zu sorgen.
So wie Gott nicht als âVaterâ erscheint, spielt der Vater eines Kindes praktisch keine Rolle (vgl. dazu schon Z1.16.), wenn er nicht als Kämpfer und Krieger erscheint, wie es öfter für den (Ehe-)Mann der Fall ist. Es geht um den âMut der Mutter in der Verteidigung der Jungen und der Heldensinn des Mannes im Schutze seines Volkesâ. âKinder in die Welt bringen ist der Lebenseinsatz der Frau für ihr Volk â genau so todesmutig wie der Soldateneinsatz des Mannes ...â, sagt Hitler laut den Lebenserinnerungen seines Rechtsanwaltes Hans Frank, gleich, ob dies nun ein wörtliches Zitat ist oder nicht. Einmal erwähnt er ausnahmsweise den âVaterâ, der sein Kind nicht dem âLasterâ anheim fallen lassen will, als Vorbild für sein Amt als Führer des Volkes. In einem der anderen seltenen Fälle, wo Hitler den âVaterâ erwähnt, klingt das so: âWer ist Imperialist? Der Politiker? Nein. Imperialist ist der Vater und die Mutterâ, weil sie ein Kind in die Welt setzen, das Lebensraum beansprucht. Hier liegen auch die Unterschiede zwischen Mann und Frau begründet. âIn dieser edelsten Mission der Geschlechter liegen auch ihre besonderen Veranlagungen begründet, die die Vorsehung in ihrer urewigen Weisheit als unveränderliche den beiden gabâ. Das hat die âVorsehungâ so âbestimmtâ. Wenn Mann und Frau den Kampf ums Dasein als Lebenszweck akzeptieren, dann können sie âHand in Hand gemeinsam kämpfend durch dieses Leben wandeln, so, wie die Vorsehung es gewollt hat, die sie zu diesem Zweck beide erschuf. Und dann wird auch der Segen einer solchen gemeinsamen Arbeit nicht ausbleiben. Dann wird nicht um Theorien ein irrer Kampf entbrennen, werden nicht wegen falscher Vorstellungen sich Mann und Weib entzweien, sondern dann wird auf ihrem gemeinsamen Lebenskampf der Segen des Allmächtigen ruhen!â Irgendein Eheverständnis im Sinne von Gemeinsamkeiten über das Aufziehen von Kindern hinaus fehlt bei Hitler ebenso wie eine eigentliche Sexualethik über gelegentliche Bemerkungen gutbürgerlicher Art oder das Ausnutzen der Lage anderer (z. B. Röhms Homosexualität â s. Kap.1.1.7., Verwerfen der Ehe von Werner von Blomberg mit einer vormaligen Prostituierten) hinaus.
Dies macht ebenso wie die zuvor besprochenen Bereiche des Lebens und der Gesellschaft deutlich, wie stringent Hitler alles dem höchsten, in Schöpfer und Natur begründeten Prinzip verwurzelte. Alles, aber auch alles, hatte dem höchsten Ziel zu dienen und wenn dabei noch so viele traditionelle Werte und Einsichten unter den Tisch fielen.
Ãbrigens haben wir hier ein gutes Beispiel vor uns, daà Hitlers Propaganda nicht einfach die Zustimmung der Massen für irgend etwas gewinnen, sondern gezielt eine neue Weltanschauung mehrheitsfähig machen wollte. Denn was Hitler zu Ehe und Familie sagte, entsprach überhaupt nicht dem, was in der Bevölkerung, gleich ob christlich oder nicht, für richtig oder normal gehalten wurde. Während die Mutterrolle der Frau durchaus noch auf traditionelle Muster traf, galt dies sicher nicht für das Ausblenden der Ehe und für das Ausblenden jeder persönlichen und gefühlsmäÃigen Bindung zwischen Mann und Frau oder zwischen Eltern und Kindern.
Was bei Hitler für Ehe und Familie galt, betraf natürlich ganz besonders die Frauen, wie vor allem ein im Zitatband nicht wiedergegebener langer Monolog Hitlers von 1941 deutlich macht. Das Frauenbild Hitlers ist ganz ihrer zentralen Aufgabe in der Arterhaltung untergeordnet. Dazu hat Gott die Frau erschaffen. Ihre Rolle als Gebärerinnen macht sie zu âKämpferinnen für das gemeinsame Leben im Dienste der gemeinsamen Lebenserhaltungâ, wie es âNatur und Vorsehungâ âbestimmtâ haben.
So traditionell dieses Frauenbild auf den ersten Blick erscheinen mag, so sehr unterscheidet es sich doch radikal vom bürgerlichen ebenso wie vom christlichen Frauenbild seiner Zeit. Denn die Frau erscheint hier nicht als Hausfrau oder als Ehefrau, sondern ausschlieÃlich als die, die das Leben neuer Artgenossen hervorbringt und dieses Leben im Kampf um das alltägliche Brot erhält. Aus Hitlers übergreifender Weltanschauung leitet sich ein Frauenbild ab, das meines Erachtens einzigartig in der Geschichte war und damit ebenso âoriginellâ und âeigenständigâ, wie einmalig brutal und menschenverachtend.
Erziehung und Rasse
Im Anschluà an Hitlers Sicht von Ehe, Familie und Frauen gilt, daà auch die Kindererziehung ganz dem einen höchsten Prinzip des Kampfs ums Leben unterstellt wurde. Ohne hier im Detail auf die Lage der Kinder im Dritten Reich oder die Geschichte der nationalsozialistischen Jugendorganisationen oder etwa auch des Schul- und Bildungswesens eingehen zu wollen, muà doch darauf hingewiesen werden, daà das nationalsozialistische Erziehungskonzept zumindest auch auf Hitler selbst zurückgeht und im Rahmen seiner Weltanschauung stringent durchdacht ist. Im Rahmen der âVolksführungâ beansprucht Hitler deswegen für die Partei: âDie Lebensbeziehungen der Geschlechter regeln wir. Das Kind bilden wir!â
Aufgabe des Staates ist âdie Erhaltung, Pflege und Entwicklung der besten rassischen Elementeâ vor der âGeburtâ und ab der âGeburtâ. âDie gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muà ihre Krönung darin finden, daà sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäÃig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein.â Damit sind bei Hitler die Kinder und Jugendlichen eindeutig und ausschlieÃlich der Erziehungsarbeit des Staates unterstellt und dieser hat nur eine wesentliche Erziehungsarbeit, die Rasselehre und damit Hitlers Weltanschauung, sowohl theoretisch als auch praktisch zu vermitteln. Daà dabei die Schule ausschlieÃlich als Funktion des Staates erscheint, ist da nicht verwunderlich. Privatschulen waren im Dritten Reich nur als Parteischulen denkbar und der staatliche Schulzwang wurde erstmals in der deutschen Geschichte ohne Einschränkung und polizeibewehrt zum Gesetz[1] (was nebenbei bis in die 60er Jahre und im Prinzip bis heute weiter galt und gilt).
Damit war auch vorgegeben, welche Rolle erziehenden Institutionen zukam. Erzogen wurde die Jugend eigentlich vom Volk, damit von seinen Führern, also der Partei, und dies im Einklang mit der Verkörperung des höchsten deutschen Rassewertes, nämlich Hitlers selbst. Deswegen findet die Erziehung zuerst in nationalsozialistischen Jugendorganisationen statt, die Hitler in groÃen Massen beim Reichsparteitag aufmarschieren lieÃ. Der Staat und damit auch die Schule ist dabei Mittel zum Zweck dieser Aufgabe.
Die Kirchen haben mit dieser Aufgabe nichts zu tun, sie sollen sich um das Jenseitige kümmern, das heiÃt die Ahnung von der Allmacht hinter der Schöpfung aufrechterhalten, und ansonsten den Kindern nahelegen, auf die Partei zu hören, da diese für das Diesseits zuständig sei. Statt der âLehreâ der âKirchenâ soll in Zukunft âdie Jugendâ ânur mehr die Wahrheit hörenâ.
Für die Familie verbleibt damit nur noch die Aufgabe, die Kinder zur Welt zu bringen und ihr Ãberleben zu sichern, wobei allerdings dafür, daà das âtägliche Brotâ vorhanden ist, letztlich auch die Lebensraumpolitik des Staates notwendig ist.
Die Erziehung der Kinder fügt sich bei Hitler in seine Aufgabe als Volkserzieher aller Deutschen ein. Er beschwört auf dem Reichsparteitag âdie GröÃe der erzieherischen Mission des Nationalsozialismusâ und sieht für sich âdie Mission eines Erziehers für mein Volkâ.
Auszug von S. 226-229 aus Thomas Schirrmacher. Hitlers Kriegsreligion. 2 Bände. 1220 S. Bonn: VKW, 2007. ISBN 978-3-938116-31-9.
Alle angeführten Zitate stammen von Adolf Hitler und werden in Band 2, S. 304-311 belegt.
[1] So Leonhard Froese, Werner Krawietz (Hg.). Deutsche Schulgesetzgebung. Band I: Brandenburg, PreuÃen und Deutsches Reich bis 1945. Weinheim: Beltz, 1968. S. 224-226.